// VORWORT
Also, wenn es mir an einem nicht mangelt, dann daran, neue Interessen zu finden. In den letzten Jahren habe ich mich durch Animes, Sims 4, Dungeons & Dragons-Podcasts, griechische Mythologie und vieles mehr gewühlt. Doch wenn mir etwas fehlt, dann ist es Geduld. Deswegen waren all diese Interessen eher von kurzer Dauer. Vielleicht war es einfach nicht spannend genug? Oder liegt es doch an mir? Vielleicht bin ich einfach nicht dafür gemacht, mich voll und ganz auf ein neues Thema zu fokussieren?
Dieses Jahr habe ich mich etwas mehr mit New-Age-Spiritualität und Witchcraft auseinandergesetzt. Ich habe ein dickes Buch über Hexen zu Hause – natürlich noch unberührt. Momentan probiere ich auch düstere, mystische Musik aus, die sich mit Folklore und Mythen beschäftigt. Dazu gehören das norwegische Musikprojekt Wardruna, die Diskografien von Björk und Florence & the Machine, oder ich hole meine alten Symphonic-Metal-CDs von Tarja und Nightwish hervor. Das klingt für euch vielleicht nach einer wilden Mischung, aber für mich ist das alles die gleiche Suppe: okkult, magisch, geheimnisvoll und irgendwie Anti-Disney – und doch völlig im Disney-Bösewicht-Vibe.
// ASHLEY SIENNA
Dadurch konnte ich dieses Jahr bereits verschiedene Künstler*innen für mich entdecken, darunter auch Ashley Sienna. Sie ist – laut ihrer Spotify-Bio – eine 21-jährige kanadische Künstlerin, die dunklen Pop mit einer mystischen Note kreiert. In ihrer Beschreibung heißt es, dass sie für ihre Fans eine ätherische Welt erschafft. Soweit, so gut.
Was mir an Ashley Sienna besonders gefällt, ist ihre Ästhetik und wie sie sich präsentiert. In weißen Gewändern steht sie in dunklen Wäldern, posiert vor alten, moosbewachsenen Burgen oder beißt mit einer Krone auf dem Kopf in den verbotenen Apfel. Auch wenn es um die Musik geht, hören bei mir die Augen mit. Wenn die Ästhetik stimmt oder das Cover besonders ansprechend ist, sagt eine Stimme in meinem Kopf: „Oh, das wirst du mögen.“ Und meistens behält sie recht.
Wir sind übrigens beide Stier – Zufall oder Schicksal?
// EDEN - TRACK FÜR TRACK
Ashley Sienna hat nun ihr zweites Album EDEN veröffentlicht. Laut ihrem Instagram-Profil hat sie damit eine eigene Welt erschaffen, in die sie uns entführen will. Also schnapp‘ ich mir eine Wärmedecke und einen Pott Kaffee, um zu sehen, ob ihr das auch gelingt.
Schon fast klischeehaft, aber irgendwie passend, heißt das Intro welcome to eden. Alles kleingeschrieben, obwohl der Albumtitel großgeschrieben ist – verwirrend. Wer jetzt allerdings Pagan-Folk oder Tribal-Klänge erwartet, wird wahrscheinlich enttäuscht sein.
Das Intro schlägt bereits düstere Pop-Töne an, und auch der zweite Track fairies, der sich seit Wochen in meiner täglichen Playlist befindet, ist eher Pop als unheildrohender Folk. Aber das ist völlig in Ordnung – vielleicht habe ich euch mit meiner Einleitung auf eine falsche Fährte geführt. Ashley Sienna bewegt sich im Dark-Pop-Genre, wobei das Hexenhafte ihrer Musik meist durch die Lyrics und die dazugehörigen Visuals vermittelt wird. Besonders fairies hat es mir angetan: poppig, catchy und dennoch mit einer bedrückenden Note, die den Song perfekt für den Herbst macht.
Mit einem Blick auf die Tracklist muss ich schmunzeln: Die nächsten beiden Lieder heißen angel boy und angel girl. Ein Gimmick, das mir schon wieder gefällt. Es ist so einfach, mich zu beeindrucken – das solltet ihr wissen.
angel boy überzeugt mich sofort mit einem Hintergrundgeräusch, das ich nicht ganz zuordnen kann. Ich tippe auf einen Chor, aber irgendetwas daran klingt flötenartig. Ansonsten ist der Song eine solide Mischung aus Alt-Pop und R&B, ruhiger als die vorherigen Titel. Mit angel girl setzt sie quasi einen Epilog auf die Tracklist, jedenfalls fühlt es sich so an, da der Song textlich auf das angel boy anspielt.
Ich bin kein großer Fan von Vergleichen, aber angel girl ist stark Billie Eilish coded und könnte problemlos auf When We All Fall Asleep, Where Do We Go? landen. Ihr wisst also schon, wie es klingt, ohne es gehört zu haben, oder? Das macht den Song zwar nicht weniger gut, aber etwas weniger originell. Allerdings wirkt er sowieso eher wie ein Interlude.
temptation ist eine weitere vorab veröffentlichte Single, die ich in den letzten Wochen rauf und runter gehört habe. Hier zeigt sich Ashley von einer etwas gespenstischeren Seite als auf den vorherigen Tracks. Leichte Noise-Elemente und ein Hagel dunkler Synths im Refrain verleihen dem Song eine nächtliche Atmosphäre. Dark-Pop vom Feinsten. Mein Gedanke beim Hören mittlerweile: Ich bin offiziell ein Fan von Ashley Sienna.
Leider ist auch temptation sehr kurz. Kurze Songs sind heutzutage ja Standard, und deshalb spare ich mir die Beschwerde. Ja, die Lieder werden kürzer – TikTok ist schuld. Diskussion beendet.
black swan bleibt düster und schlägt wieder mehr die R&B-Richtung mit Trap-ähnlichen Beats im Refrain ein. Ein interessantes Hörerlebnis – mittlerweile bin ich jedoch vom Hype erfasst. Wie bereits erwähnt: Ich bin ein Fan. Ab jetzt wird es schwer, mich zu enttäuschen. Die Enttäuschung kommt in der Regel erst später (an dieser Stelle werfe ich einen vielsagenden Blick in Richtung des neuen Albums von Magdalena Bay).
aphrodite ist eine weitere Singleauskopplung, die seit langem einen festen Platz in meiner täglichen Playlist hat. Ähnlich wie fairies überzeugt der Song mit einem eingängigen Refrain und hypnotischen Hintergrund-Rhythmen, die einen grandiosen Dark-Pop-Moment schaffen. Ashleys Stimme wird durch verschiedene Effekte verfremdet, ohne dabei überladen zu wirken.
Mit dem Ende von aphrodite betrete ich musikalisches Neuland, denn die weiteren Songs auf dem Album sind mir noch unbekannt. Der nächste Titel gold, ebenfalls vorab als Single veröffentlicht, blieb trotzdem ungehört – bis jetzt. Und was soll ich sagen: Ich bin begeistert. gold ist der bisher tanzbarste Track des Albums. Auch wenn er sich auf der Tracklist zunächst ein wenig fehl am Platz anfühlt, fügt er sich doch perfekt ein. In der zweiten Hälfte überrascht der Song mit Noise-Elementen, einem Stöhnen und einem leisen Aufatmen, bevor er mit einem letzten großen Refrain endet. Ab in die Playlist damit!
Die ersten Töne von ethereal erklingen, und ich hatte auf eine ruhige Nummer gehofft – wurde jedoch von Ashley und ihrem Produktionsteam ordentlich gecatfished. Der Song ist zwar keine Ballade, nimmt aber auch nicht wirklich an Tempo zu. Stattdessen wird er von einem ständigen Aufbau getragen, bei dem man immer wieder denkt: „Jetzt kommt der Beat!“ – aber er kommt nicht. Die Pseudo-Ballade ist durchaus hörbar, Ashley greift auf bekannte Elemente zurück und verzerrt ihre Stimme vor dem letzten, epischen Refrain.
Mit baby bambi sind wir auch schon beim vorletzten Track angekommen. Ein großartiger Titel, der uns wieder zur Anti-Disney-Thematik aus der Einleitung führt. In dem Song lässt Ashley Sienna die düsteren Elemente mal kurz beiseite und präsentiert uns eine niedliche, hoffnungsvolle Liebeshymne. Wandlungsfähigkeit kann man ihr also nicht absprechen. Sie bleibt zwar ihrem Genre treu, schöpft aber dennoch kräftig aus dem Mainstream-Pop-Kessel. Und jetzt Achtung, ich wage einen Vergleich: baby bambi klingt wie Sabrina Carpenter in Halloween Town. Macht damit, was ihr wollt.
ivy ist der Closing-Track des Albums und lässt EDEN hoffnungsvoll ausklingen, mit einer positiven und energiegeladenen Note. Der Song ist ein tanzbares Synthpop-Stück, das mit seiner warmen, melodischen Produktion irgendwie ungewohnt happy macht.
// FAZIT
Hat mich Ashley Sienna in ihre eigene Welt entführt? Auf jeden Fall! Habe ich vielleicht etwas zu viel über das Album geschrieben? Wahrscheinlich.
EDEN ist wie eine düstere Märchenreise, die mal zart und verträumt, mal tief und dramatisch erklingt. Ein Dark-Pop-Abenteuer, das dich in eine Mischung aus Fantasy und Pop versetzt, ohne dabei die Bodenhaftung zu verlieren. Die Übergänge zwischen Hexerei, Folklore und modernen Pop-Einflüssen sind dabei fließend. Perfekt, wenn du nach einem Soundtrack für nebelige Herbstabende oder deine nächtlichen Hexenrituale suchst.
Highlights: fairies, aphrodite, gold, ivy
Für Fans von: Kerli, Melanie Martinez, Billie Eilish
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