// VORWORT
Charli XCX ist eine Künstlerin der Extreme. Seit ich sie 2013 mit ihrer EP Super Ultra entdeckte, habe ich ihren faszinierenden Werdegang verfolgt – von einer frechen, görenhaften Sängerin zu… nun ja, einer frechen, görenhaften Sängerin mit Kultstatus. Meine Faszination gipfelte in einem Meet & Greet in Berlin, das meine Bewunderung nur verstärkte. Würde ich heute die Wahl haben, eine Künstlerin zu interviewen oder mit ihr bis in die Morgenstunden zu feiern – Charli wäre meine erste Wahl.
Langjährige Fans haben miterlebt, wie Charli sich vom Underground in den Mainstream und wieder zurück kämpfte. Ihr Weg war geprägt von der Gratwanderung zwischen Mainstream-Ambitionen (siehe Features mit Iggy Azalea, Rita Ora oder David Guetta) und der Etablierung als Underground-Ikone, unterstützt durch die PC Music-Crew um A.G. Cook, SOPHIE und Danny L Harle.
Mit BRAT gelang Charli der Balanceakt zwischen diesen Welten, ohne ihre künstlerische Integrität zu kompromittieren. Der große Erfolg scheint zum Greifen nah: Features mit Top-Künstlern, Millionen Spotify-Streams und virale TikTok-Tänze zeugen davon. Charli XCX ist zweifellos ein Superstar.
BRAT und die damit verbundene Attitüde prägten ein ganzes Jahr. Der Hype war allgegenwärtig, selbst die US-Vizepräsidentin ließ sich vom BRAT-Fieber anstecken. Alles erstrahlt in Giftgrün, alles ist Apple, alles ist BRAT.
Nach der Deluxe-Version folgte nun das sehnlichst erwartete Remix-Album. Vorab wurden bereits Tracks mit Lorde, Addison Rae und Billie Eilish veröffentlicht, was die Gerüchteküche weiter anheizte. Wer würde noch auf der Tracklist stehen? Taylor Swift? Kesha? Rosalía? Die Spannung war greifbar, bis Charli Anfang der Woche endlich den Schleier lüftete.
// Brat and It's Completely Different but Also Still Brat
An einem frischen Morgen, nach dem obligatorischen Kaffee, verabredete ich mich mit einem Freund zu einer intensiven Hörsession. Wir nahmen uns vor, das möglicherweise beste Remix-Album aller Zeiten gründlich unter die Lupe zu nehmen. Hier ist meine Track-by-Track-Analyse:
- 360 mit Robyn und Yung Lean: Die ikonischen Synths des Originals leiten uns ein. Meine anfängliche Skepsis wich schnell purer Begeisterung. Die scheinbar inkohärente Songstruktur entpuppt sich als Meisterwerk, das wie ein guter Wein erst auf der Zunge zergehen muss.
- Club classicsmit Bb trickz: Ein klassischer Remix-Aufbau trifft auf überraschende Wendungen. Bb trickz Spanglish-Rap verleiht dem Track eine eigene Sphäre. Man fragt sich unweigerlich, ob hier ursprünglich ein Rosalía-Feature geplant war.
- Sympathy is a knifemit Ariana Grande: Der erste echte Mainstream-Moment des Albums. Leider tut sich Ariana schwer, Charlis görenhaften Stil zu treffen. Ihre sanfte Stimme wirkt austauschbar, nur das Glitch-Outro rettet den Track.
- I might say something stupidmit The 1975 und Jon Hopkins: Ein deplatziert wirkender Remix, bei dem Charli selbst in den Hintergrund tritt. Hopkins‘ Ambient-Produktion glänzt, kann aber die Langeweile nicht völlig vertreiben
- Talk talk mit Troye Sivan (und Dua Lipa): Dua Lipas Beitrag beschränkt sich auf ein kurzes Intro, während Troye Sivan mehr Präsenz zeigt. Der Remix funktioniert teilweise, leidet aber unter dem fehlenden Refrain und einer etwas untergehenden Produktion.
- Von dutch mit Addison Rae: Ein chaotisch-energiegeladener Track, der TikTok-Star Addison Rae perfekt in Szene setzt. A.G. Cooks Produktion glänzt mit hypnotischen Basslines und schreienden Vocals von Rae.
- Everything is romantic mit Caroline Polachek: Ein absolutes Highlight. Polacheks engelsgleiche Stimme verwandelt den sommerlichen Original-Track in eine herbstliche Hymne. Perfekte Produktion trifft auf göttliche Vocals.
- Rewind mit Bladee: Bladees verzerrter Trance-Stil wertet den ursprünglich schwächeren Track auf, ohne ihn jedoch in neue Sphären zu katapultieren.
- So Imit A.G. Cook: Eine emotionale Hommage an die verstorbene SOPHIE. A.G. Cook kreiert mit SOPHIE-typischen Elementen einen Track, der Tränen in die Augen treibt und gleichzeitig ein fantastisches Hyperpop-Stück darstellt.
- Girl, so confusingmit Lorde: Pop-Geschichte in Reinform. Lorde ergänzt den Song über ihre komplizierte Freundschaft mit Charli um ihre eigene Perspektive. Ein Dance-Pop-Meisterwerk, das zurecht als einer der bestbewerteten Songs des Jahres gilt.
- Apple mit The Japanese House: Mein persönlicher Emotional-Support-Song wird hier in eine süße, introspektive Version verwandelt. Zwar verliert er dabei etwas von seinem ursprünglichen Reiz, bleibt aber dennoch hörenswert.
- B2b mit Tinashe: Charli und Tinashe harmonieren perfekt auf diesem zugänglicheren Remix. Ihre Stimmen verschmelzen wunderbar mit der Synth-Produktion.
- Mean girlsmit Julian Casablancas: Eine gewöhnungsbedürftige Fusion aus Indietronica und chaotischem Alt-Pop. Überraschenderweise passen Charlis und Julians Stimmen perfekt zusammen.
- I think about it all the time mit Bon Iver: Ein beklemmender Glitch-Pop-Track, der sich vom Original stark abhebt. Die existenziellen, ängstlichen Lyrics bieten einen weiteren emotionalen Höhepunkt des Albums.
- 365mit Shygirl: Eine Noisy-Industrial-Produktion verleiht dem Original mehr Wucht. Leider ist der Track zu kurz, um sein volles Potenzial zu entfalten.
- Guess mit Billie Eilish: Der wohl bekannteste Track des Albums schließt die Sammlung ab. Eine ikonische Electro-House-Kollaboration, die in einem euphorischen Vocal-Battle gipfelt und das Original deutlich übertrifft.
// Fazit
Brat and it’s completely different but also still brat ist eine emotionale, energiegeladene und partytaugliche Reise durch diverse Genres. Charli XCX beweist einmal mehr ihr Gespür für Kollaborationen, indem sie ihren Gästen Raum zur Entfaltung gibt, ohne selbst in den Hintergrund zu treten. Sie erweitert ihren musikalischen Kosmos um weitere spannende Künstler*innen und festigt ihren Status als Pop-Ikone.
Fazit: 2024 war zweifellos das BRAT-Jahr, und dieses Remix-Album ist der krönende Abschluss. Eine andere Meinung ist schlichtweg nicht zulässig.
Folgt Charli XCX hier bei Instagram.
Highlights: 360, Von dutch, Everything is romantic, So I
Für Fans von: Verdammt guter Popmusik
Charli XCX ist in der What’s New?-Playlist als eines der Highlights der Woche vertreten. Hier streamen.