glaive May It Never Falter review

Glaive – May It Never Falter

// VORWORT

Es ist manchmal erschreckend zu sehen, wie Künstler*innen, die noch nicht einmal ihre Zwanziger erreicht haben, bereits eine so durchwühlte Gefühlswelt offenbaren. Man fragt sich unweigerlich: War ich in meinen Teenager-Jahren auch so voller Wut, Trauer und Pessimismus?

Ein Paradebeispiel für diese „Teenage Angst“ ist Glaive, mit bürgerlichem Namen Ash Blue Gutierrez, der auch unter dem Pseudonym ovine hall Musik veröffentlicht. Geboren 2005 – ja, richtig gelesen – feierte er seinen Durchbruch mit zarten 15 Jahren. Seine ersten Veröffentlichungen katapultierten ihn sofort ins Rampenlicht der Hyperpop-Szene.

Glaives besonderes Talent liegt darin, intensive emotionale Themen mit eingängigen, oft experimentellen Melodien zu verknüpfen. Tracks wie Astrid und Cloak n Dagger zementierten seinen Ruf in der Szene und brachten ihm sowohl Kritikerlob als auch eine stetig wachsende Fangemeinde ein.

Glaive ist weit mehr als nur ein Vertreter des Hyperpop-Genres. Schon in jungen Jahren entwickelte er einen genreübergreifenden Musikstil, der Elemente aus Elektropop, Emo-Rap und Alt-Pop miteinander verwebt, um einen faszinierenden, unverwechselbaren Klang zu erschaffen. Diese Vielseitigkeit hat ihm nicht nur eine breite Fangemeinde eingebracht, sondern auch eine regelrechte Kult-Anhängerschaft. Ganz nach dem kontroversen Prinzip: „Man liebt ihn oder man kann nichts mit ihm anfangen.“

Meine persönliche Glaive-Odyssee begann mit Astrid. Es war das erste Mal, dass ich etwas hörte, das sich jenseits von gewöhnlichem Rap oder Trap bewegte. Als jemand, der sich normalerweise nicht zu diesen Genres hingezogen fühlt, hat mich Glaives experimentelle Art, die Verschmelzung von Emo-Texten und einem Sound, gekennzeichnet durch eine eklektische, unkonventionelle, mechanisch klingende und dichte Produktion, in seinen Bann gezogen. Seitdem verfolge ich seine Karriere aufmerksam – mit all ihren Höhen und Tiefen (wie zum Beispiel eine eher fragwürdige Kollaboration mit dem ebenfalls fragwürdigen Machine Gun Kelly).

Anfang des Jahres veröffentlichte Glaive seine EP A Bit Of A Mad One, die zu einem der herausragenden Projekte des Jahres avancierte. Genreübergreifend und doch unverkennbar Glaive, präsentierte sie eine unverblümte Ehrlichkeit, eine fast selbstzerstörerische Mischung aus Pop-Rock, Emo, Digicore und Hyperpop. Trotz gelegentlicher Überproduktion passte die rohe Instrumentation perfekt zu seinem Gesang.

// May It Never Falter - Review

Nun, ein knappes Dreivierteljahr später, erscheint May It Never Falter, Glaives offizielles zweites Album. Es verspricht eine Fusion aus „the Best of Both Worlds“: Die gewohnten Genres treffen auf folkige Pop- und Rap-Elemente. Die Platte zeigt eine reifere Herangehensweise an Songwriting und Produktion, inspiriert von Sessions in den USA, Island und Wales.

Die Vorab-Single Live & Direct, entstanden in Zusammenarbeit mit seinem langjährigen Freund Kurtains, stimmt auf das Album ein. Leider bleibt der Track hinter den Erwartungen zurück, bedient sich an typischen Glaive-Sounds, ohne sie weiterzuentwickeln.

For God and Country eröffnet das Album mit einem Klang, der stark von düsteren Synthesizer-Arrangements und schweren, atmosphärischen Trap-Beats geprägt ist. Diese Mischung aus trauriger, fast geisterhafter Musik und Sprechgesang verleiht dem Track eine emotionale Schwere. Doch trotz dieser dichten Produktion fehlt auch diesem Stück das gewisse Etwas, das Glaives früheren Werke so einprägsam machte.

Die folgenden Tracks 60.000 ISK und Count It Up bewegen sich auf vertrautem Terrain, wobei letzterer mit seinem hypnotischen Refrain mehr überzeugt. ik experimentiert mit rhythmischeren Produktionen, kann sich jedoch nicht wirklich von den anderen abheben.

Mit joel erkundet Glaive seine neu entdeckte Vorliebe für folkige Gitarrenklänge. Die introspektive Produktion ist solide, aber bleibt letztlich unspektakulär. Im Gegensatz dazu überrascht Knock, Draw, Release mit einem minimalistischen Sound und emotionaler Tiefe, während EVERYDOG HAS ITS DAY dank düsterer Bässe und elektronischer Elemente Hoffnung weckt, dass das Album doch noch an Fahrt gewinnen könnte.

Freudian bietet eine Rückkehr zu den vertrauten Digicore-Wurzeln, wirkt jedoch eher generisch. Dagegen experimentiert Nobodys Fault / Accept My Own mit Lautstärke und Chaos und wird so zu einem der wenigen Höhepunkte des Albums. Der Abschlusstrack By Birthright schließt das Album mit einer ruhigen, fast zurückhaltenden Stimmung, bleibt jedoch ähnlich blass wie der Opener.

May It Never Falter ist ein zwiespältiges Album. Einerseits bewundere ich Glaives stetigen Drang nach Weiterentwicklung und sein Experimentieren mit verschiedenen Genres. Andererseits gefällt mir die neu eingeschlagene Richtung deutlich weniger als seine früheren Veröffentlichungen.

// FAZIT

Das Album fühlt sich oft wie eine Demo oder ein unpoliertes Mixtape an. Es steckt voller interessanter Ideen und Ansätze, die jedoch häufig unausgereift oder nicht ausreichend erforscht wirken. Viele Tracks scheinen kurz vor dem Aufblühen abrupt zu enden.

Es gibt durchaus Highlights, aber sie sind in der Unterzahl. Glaive sollte sich meiner Meinung nach öfter auf rauere, wütendere und druckvollere Produktionen einlassen. Die vielen unfertigen Ideen und die lückenhafte Umsetzung in vielen Tracks hindern May It Never Falter daran, ein wirklich herausragendes Album zu sein.

Letztendlich werde ich weiterhin die diesjährige EP A Bit Of A Mad One bevorzugen. Doch trotz meiner Kritik bleibt Glaive ein faszinierender Künstler, dessen weitere Entwicklung ich gespannt verfolgen werde. Denn eines ist sicher: Mit gerade mal 19 Jahren hat er noch viel Zeit, sein unbestreitbares Talent weiter zu entfalten und zu perfektionieren.

Folgt Glaive hier bei Instagram.

Highlights: Knock, Draw, Release, EVERYDOG HAS ITS DAY, Nobodys Fault / Accept My Own

Für Fans von: aldn, ericdoa, Kurtains

Score 50%

Glaive ist in der What’s New?-Playlist als eines der Highlights der Woche vertreten. Hier streamen.

Nach oben scrollen